Brunnen des Lebendigen, der mich sieht
. Gen 16,14
Ungeduld ist ein schlechter Ratgeber – auch und vielleicht gerade den Verheißungen Gottes gegenüber.
Zu einem großen Volk wollte der Herr Abraham machen. Aber da war nicht einmal ein Anfang in Sicht. Sara gebar Abraham kein Kind. Da sprach Sara zu Abraham: "Siehe, der Herr hat mich verschlossen, daß ich nicht gebären kann. Geh doch zu meiner Magd, ob ich vielleicht durch sie zu einem Sohn komme. Und Abraham gehorchte der Stimme Saras". Es hat im Leben Abrahams sicher Gehorsam gegeben, der ihm schwerer gefallen ist als dieser. Und so beginnt die Geschichte von Hagar und Ismael.
Saras Idee mit der Leihmutterschaft war damals schon nicht gut. Hagar, die ägyptische Magd, wird schwanger, und damit ist der Konflikt da. "Nun, da Hagar sieht, daß sie schwanger geworden ist, bin ich geringgeachtet in ihren Augen", beklagt sich Sara bei Abraham. Der "Vater des Glaubens" weiß nichts Besseres zu sagen als: "Siehe, deine Magd ist unter deiner Gewalt. Tu mit ihr, wie dir’s gefällt!"
"Als nun Sara sie demütigen wollte, floh Hagar vor ihr". Schwanger, alleingelassen, gedemütigt, mißbraucht – viele Frauen vor ihr und nach ihr haben solche Erfahrungen gemacht und viele sind wie sie geflohen. Wohin geht solch eine Flucht? Zunächst einfach weg, weg von den Menschen, den Umständen, den Problemen. Allein sein, Ruhe haben, für sich selbst sein. Manchmal kann solch ein Mensch dann nur in die Wüste gehen – um Abstand zu gewinnen, um zu wachsen und zu reifen, sich klar zu werden ob und wie es weitergehen kann. Wohl der, die dann einen Brunnen in der Wüste kennt.
Und da sitzt Hagar nun – beim Wasserquell in der Wüste mit ihren Problemen, mit den Wunden von gestern und dem ungewissen Morgen. Da sitzt sie allein mit sich und dem werdenden Leben in ihr und hat keine Zukunft. Und niemand hält nach ihr Ausschau, keiner vermißt sie, keiner sucht die Geflohene
"Aber der Engel des Herren fand sie bei einer Wasserquelle in der Wüste am Wege nach Schur". Er hatte wohl nach ihr gesucht, er wollte sie nicht aus den Augen verlieren, er ließ sie nicht verkommen und verderben. "Der Engel des Herren fand sie", bei einem Brunnen – wie tröstlich. Wenigstens er ging ihr nach. Ist damit nun alles gut? Hat das Schwere ein Ende? Sind die Wunden geheilt?
Der Engel des Herren spricht:"Hagar, Saras Magd, wo kommst du her und wo willst du hin?". Mit diesen schweren Fragen beginnt er das kurze Gespräch. Es sind die Fragen, die der Engel des Herren nicht nur an Hagar richtet. Und nicht nur sie muß eine Antwort auf sie finden.
Der Engel weist den Weg: "Kehre wieder um zu deiner Herrin und demütige dich unter ihre Hand." Aber davor war sie gerade auf der Flucht! Warum gerade diesen Weg? Gibt es denn keinen anderen? Hat er keinen, der wenigstens etwas einfacher, leichter ist? Sind die Wege des Engels des Herren immer so schwer? Bleibt also alles beim alten?
Nicht ganz. Der Engel des Herren eröffnet Hagar dort am Brunnen eine ganz sicher nicht leichte, aber doch eine mögliche Zukunft: Du wirst gebären! Einen Sohn wirst du haben, und dessen Namen sollst du "Ismael" nennen – "Der Herr hört" – "denn der Herr hat dein Elend erhört".
Und das ist nun die neue Qualität in der sie ihren – schweren – Weg geht: diese Gewißheit: der Herr hört, verbunden mit der anderen großen, wichtigen Erfahrung: der Herr ist der "der mich sieht" – mich, die Flüchtende, mich, die Einsame, mich, die Verzweifelte. Und dort am Brunnen in der Wüste fügt sie den rätselhaften Satz hinzu: "Gewiß habe ich hinter dem hergesehen, der mich angesehen hat."
Der Brunnen, an dem das alles geschah, bekam den Namen "Brunnen des Lebendigen, der mich sieht". Und dieser Brunnen liegt nicht nur zwischen "Kadesch und Bered".
Machen Sie eigene Entdeckungen und sich selbst eine Freude, in Sie bitte nachlesen: 1. Mose 16